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ERRATA VOCOLOGICA

10 Fehler und 7 Fazits

Heinz Stolze, Dezember 2004

überarbeitet im Februar 2005 , letzte Änderung am 20.6.2007

in www.forum-stimme.de


ERGÄNZUNG: REFLEXIONEN UND RESONANZ


Ein grundlegendes Gefühl für die Größenordnungen von Resonanzen erhält man, wenn man sich anschaulich macht, wie Resonanzen durch Reflexion entstehen. Betrachtet man eine Schallwelle, die in einem harten Rohr läuft und geht davon aus, daß Dämpfungen keine Rolle spielen, so würde sie sich mit konstant bleibender Amplitude ausbreiten wie der Wellenverlauf ganz oben in der Abbildung von links nach rechts. Nehmen wir an, eine Quelle würde am linken Ende konstant Schall liefern und wir würden das Rohr rechts verschließen, so daß die Welle reflektiert wird. Sie würde im Rohr hin und her laufen.
Dabei könnte sich die Welle aufschaukeln, wenn Wellenberge auf Wellenberge fallen und Täler auf Täler. Sie könnte sich aber auch weitgehend eliminieren, wenn Täler auf Berge zu liegen kämen. Der erste Fall würde zu sehr starkem Schall im Rohr führen, das wäre der Fall der Resonanz. Wenn wir an die Stimme denken, interessiert ja vor allem, was am Mund austritt. Wir stellen uns daher ein Rohr vor, das an einem Ende zu ist (links, Seite der Glottis) am anderen etwas Schall herausläßt (20 %) und den Rest reflektiert (80%). An der linken Seite sei eine konstant abstrahlende Schallquelle.

Die Schallquelle links sendet eine Schallwelle aus. Die schwarze Kurve zeigt eine Momentaufnahme des Schalldruckverlaufes. Die Welle läuft nach rechts. Beim Auftreffen auf das offene Ende (Mund) wird 80% reflektiert und läuft zurück, 20% tritt aus, läuft nach rechts weiter. Die reflektierte Welle trifft links auf die harte Abschlußwand (geschlossene Glottis) und wird hier zu 100 % reflektiert. Sie läuft also mit gleichbleibender Amplitude zurück zum offenen Ende, 80% von ihr werden reflektiert, da ihre Amplitude bezogen auf die Ausgangsstärke 80% ist, ist die Amplitude der reflektierten Welle bezogen auf die Ausgangswelle 80% von 80 %, macht 64 %. Der austretende Anteil ist 20% von 80% also 16 % etc.

Nehmen wir an, der Vokaltrakt sei 17,5 cm lang, so braucht eine Schallwelle vom einen zum anderen Ende fünf Millisekunden.

Wir betrachten nun einmal das Schallfeld, das auf diese Art entstanden ist, nachdem die Welle sechsmal hin und her laufen konnte. Dazu summiert man die Schalldrucke der Teilwellen auf. Das Ergebnis: Im Rohr überlagern sich die Wellen zu einem Schwingungsmuster, das an der Stelle der stärksten Schwingung die 4,39-fache Amplitued (439 %) der Ausgangswelle aufweist. An der offenen Seite tritt eine Welle aus, die die 0,488-fache Amplitude der Ausgangswelle hat (48,8 %).

Man sieht an der Abbildung, daß die reflektierten Wellen von Mal zu Mal immer schwächer werden. Das führt dazu, daß selbst nach sehr vielen Reflexionen die Amplitude innen im Resonator nicht unendlich anwachsen kann. Selbst nach sehr langer Zeit kann sie sich nur an den Wert der neunfachen Ausgangs-Amplitude annähern, die auslaufende Welle kann höchstens 100 % derselben erreichen.

Man bezeichnet diese Situation als den stationären Fall.

Wichtig für das Ergebnis: Phasenbeziehung bei der Reflexion
Bei der Reflexion an der offenen Seite (rechts) wird die Schallwelle "umgedreht". Das heißt die reflektierte Welle erhält man, indem man an der Grenzfläche die Laufrichtung herumdreht und auch den Schalldruck mit einem Minuszeichen versieht. Das heißt graphisch: die Kurve an der horizontalen Mittellinie spiegelt. Würde man dies bei der ersten Reflexion an der rechten Seite oben nicht berücksichtigen, würde die nach links weg reflektierte Kurve mit abfallender Amplitude (180 grad phasenverschoben) loslaufen.

Dies wäre zutreffend für einen beidseitig geschlossenen Resonator. Die gewählte Wellenlänge würde dabei nicht zu Resonanz führen, da die hin und her laufenden Wellen sich bei der Summation größtenteils gegenseitig aufheben würden.

Die verschiedene Reflexion an offenem gegenüber geschlossenem Ende führt zu den verschiedenen Resonanzfrequenzen für den Resonatortyp offen-zu gegenüber offen-offen.

Zum Charakter der Resonanz
Resonanz einer Schallwelle besteht offenbar darin, daß die Welle sozusagen nicht einfach durch den Resonator durchlaufen kann, sondern durch Reflexionen im Resonator hin und her laufen muss, gewissermaßen mehr oder weniger gut eingefangen wird. Wenn die Phasenbeziehungen so sind, daß die Summation dieser hin- und herlaufenden Anteile große Schwingungsamplituden ergibt, liegt Resonanz vor.

Resonanz heißt zunächst, daß im Resonator sehr starke Schallpegel auftreten. Es wird im Laufe der Zeit Schwingungsenergie im Resonator angesammelt. Resonanz führt keines wegs dazu, daß am Ende mehr Energie herauskommen kann, als vorne hineingesteckt wurde. So kann auch die Schwingungsamplitude der auslaufenden Welle nicht größer sein als die der einlaufenden. Man kann das überprüfen, indem man das oben gezeichnete Beispiel für alle denkbaren anderen Größen der Parameter Resonatorlänge, Reflexionskoeffizient, Transmisionskoeffizient durchtestet.

Bessere Energieabstrahlung mit Resonator
Solange wir davon ausgehen, daß die Schallwelle ganz unabhängig von dem, was im Resonator passiert, konstant in ihn hineinläuft, können wir also nicht erklären, wieso Resonanzfrequenzen auch stärker abgestrahlt werden können. Um die verbesserte Energieübertragung von einer Quelle auf ein Medium durch Resonanz zu verstehen, müsste man neben der Schalldruckwelle noch die zugehörige Bewegung (Schallschnelle) betrachten. In Kürze kann das so beschrieben werden:

Wir haben bei unserer Analyse angenommen, daß die Schallwelle in den Vokaltrakt hineinläuft wie in ein Feld, in dem keine Schallwellen vorhanden sind. Würde man nun berücksichtigen, daß mit der starken Schallwelle, die im Resonator entstehen kann, auch Luftbewegungen am Ort des Entstehens der Schallwelle stattfinden, so könnte man zeigen, daß mit Resonator eine stärkere Welle entstehen kann als ohne. Das Prinzip ist von der Schaukel bekannt. Man vergleiche folgende Situationen:

a) ein neuer Anschub nach vorn kommt in dem Moment, in dem die Schaukel sich eh vorwärts bewegt. Sie nimmt dabei Energie auf , und zwar mehr, als wenn sie in Ruhe wäre.

b) ein neuer Anschub nach vorn kommt in dem Moment, in dem die Schaukel sich rückwärts bewegt. Sie wird dadurch gebremst, gibt also Energie ab.

Oder generell: wirkt eine Kraft in Bewegungsrichtung auf eine Masse ein, so nimmt diese Masse (Bewegungs-)Energie auf, sie wird schneller. Wirkt die Kraft entgegen der Bewegungsrichtung, so gibt die Masse Energie ab, sie wird gebremst.

Entspricht eine Anregungsfrequenz (des Gesamtspektrums) einer Eigenfrequenz des Vokaltraktes, so ist aufgrund dieses Prinzips eine besonders starke Energieübertragung von der Quelle auf die Schallwelle für diese Frequenz möglich. Denn dann kann der Fall eintreten, daß der Anschub immer in einem Moment stattfindet, in dem die Luft sich eh in Richtung der wirkenden Kraft bewegt. Damit ginge also von vornherein mehr Schallenergie in den Resonator als in ein freies Feld. So ist auch eine stärkere Abstrahlung als in einer Konfiguration ohne Resonator möglich.

Man kann sich dies Geschehen auch so vorstellen, daß der Resonator auf einer Resonanzfrequenz der Schallquelle ein besseres "Angreifen" erlaubt, als ein freies Feld von Luft. In der Akustik wird diese Eigenschft durch die "Impedanz" beschrieben, die eine frequenzabhängige Größe ist.

Die gesangspädagogische Vorstellung des "Ansatzrohres" erscheint genau zutreffend, um das mit dem beschriebenen Mechanismus verbundene Gefühl auszudrücken.