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Wissen, Lehrmittel, Diskussion
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Publikationen, Tips & Kommentare
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Thema
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Review: Schallerzeugung durch Wirbel im Vokaltrakt?
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Unter der "Review" werden aktuelle Themen der Stimmforschung behandelt. Oft ist ein Artikel oder Buch der Ausgangspunkt. Dabei soll der Bezug zwischen Theorie und Praxis offengelegt werden. Auch komplexere Sachverhalte werden möglichst verständlich dargestellt und wenn möglich werden Vorschläge zu praktischen Erprobungen entwickelt. Rückmeldungen und Kommentare sind willkommen (e-mail), ebenso Texte für diese Rubrik oder Hinweise auf websites mit verwandtem Thema. |
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Heinz Stolze, Institut für Stimme und Kommunikation, Bremen
in www.forum-stimme.de neu erstellt am 17.10.2001
Schallerzeugung durch Wirbel im Vokaltrakt?
So beginnen die Ausführungen über den Vokaltrakt in einem Artikel von H.M. und S.M. Teager (Teager and Teager, 1990). Einem der Autoren sind bereits Anfang der 1960-er Jahre bei Arbeiten am MIT Zweifel aufgekommen, daß die Funktion des Vokaltraktes rein akustisch sei. Damit ist folgendes gemeint: Der Luftraum in Vokaltrakt wird normalerweise als ein Bereich behandelt, in dem Schallwellen laufen. Die vorgegebenen Umrandungen und die Abstrahlungsfläche an der Mundöffnung sind im physikalischen Sinne Randbedingungen und führen zu bestimmten Ausprägungen des Schallfeldes. Basierend darauf läßt sich das akustische Verhalten berechnen (Resonanz, Impedanz...). Teager und Teager kommen aber anhand von Messungen der Bewegungsgeschwindigkeit der Luft, die sie im Vokaltrakt an verschiedenen Stellen durchgeführt haben zu dem Schluß, daß ihre Ergebnisse nicht "akustisch" zu erklären sind. In einer akustischen Welle überlagert sich der Luftströmung im Vokaltrakt ein schnelles Hin und Her der Luft (beschrieben durch die physikalsiche Größe "Schallschnelle"), das mit einem ebenso schnell variierenden Druckfeld verbunden ist. Diese etwas elementare Sichtweise einer Schallwelle wird auch gern so verstanden, daß die schnellen Druckschwankungen der Schallwelle die schnelle Hin-und-Her-Bewegung antreiben. Teager und Teager weisen darauf hin, daß ihre gemessenen Druckschwankungen und die Schallschnelleschwankungen nicht denen einer akustischen Welle entsprechen. Die Druckschwankung erklärt für sich allein nicht die vorliegende Schnelleschwankung. Also sind andere schnelle Bewegungen der Luft vorhanden. Sie schlagen als Alternative vor, daß im Vokaltrakt Luftwirbel entstehen und für die Ausbildung der Formanten (=Frequenzbereiche mit starken Teiltönen, die die akustische Grundlage der Vokalwahrnehmung sind) maßgeblich sind. Man hat den Eindruck, daß im Bereich der sich etablierenden modernen Vokologie diese Kritik zwar vernommen, aber nicht gerade ausführlich behandelt wurde. Die Vokologen verweisen auf die Erfolge der akustischen Theorie in der Anwendung und bemerken -wohl zu recht-, daß die akustische Theorie des Vokaltraktes nicht so ganz falsch sein könne. Teager und Teager hatten immerhin formuliert, die Operation des Vokaltraktes sei "nor even acoustic". Zwar ist nicht zu verkennen, daß hier nur von einem sehr speziellen Fall berichtet wurde - dennoch sind die Ergebnisse wert, näher bedacht zu werden. Weitere Untersuchungen sind natürlich nötig - wie es ja oft heißt und ebenso oft zutreffend ist. Vor allem ist die Beschränkung auf die sehr tiefe Grundfrequenz von 80 Hz ein Schwachpunkt. Man darf vermuten, daß die Stimmlippenmodellierung bei höheren Frequenzen nicht gut genug funktionierte, zumal auch für 80 Hz von einer Leckrate von 10% berichtet wird. In Anbetracht dieses Lecks und der Form der modellierten Stimmlippen sowie der Art ihres Antriebes (aktiv, sinusförmiger Verlauf) liegt mit Sicherheit keine gute Modellierung der Wirbelproduktion an der Glottis vor. Für den Nicht-Aerodynamiker ist es vor allem interessant zu erfahren, wie denn diese Schallerzeugung im Vokaltrakt vor sich gehen soll. Aus der nicht gerade sehr anschaulichen Beschreibung läßt sich -ohne Gewähr- folgendes herauslesen: Beim Durchtritt der Luft durch die Glottis bilden sich Wirbel aus. Dabei entsteht ein Wirbel pro Schwingungszyklus. Die Wirbel wandern nun mit der Fließgeschwindigkeit der Luft weiter Richtung Mund. Man kann sie sich wie auf einer Kette aneinandergereiht vorstellen. Bei den für die Untersuchung benutzten Werten für Grundfrequenz und Strömungsgeschwindigkeit haben die Wirbel eine Länge von etwa 1 cm. Je schneller die Luft strömt, umso länger ist solch ein Wirbel. Je höher die Schwingungsfrequenz der Stimmlippen ist, umso kürzer ist er. Bezüglich des Schalls ist zu berücksichtigen, daß ein Wirbel per se keinen Schall abstrahlt. Wenn nun aber ein Wirbel auf eine Stelle im Vokaltrakt trifft, an der sich der Querschnitt plötzlich ändert, kann er seine Bewegungsenergie (einen Teil davon) in Schall umwandeln. Eine solche Stelle wäre also der Ausgangsort einer Schallwelle. Insofern könnte man sagen, daß der Vokaltrakt akustisch nicht rein passiv sei. Von bestimmten Stellen können Schallwellen ausgehen. Die nötige Energie wird per Wirbel von der Glottis dorthin transportiert. Welche Stellen kommen dafür in Frage? Die Autoren nennen den Kehldeckel, den Gaumen, die Zähne, die Lippen. Natürlich wäre es faszinierend, wenn man sich dazu anhand eigener Erfahrungen ohne aufwendige Apparaturen ein Bild machen könnte. Konkrete Vorschläge, wie das funktionieren könnte, liegen leider nicht vor. Vielleicht hat ein Leser dieser Seite eine gute Idee? Der Autor dieses Beitrages fand des öfteren Spuren solcher Verzögerungen an Teiltönen des sängerischen Vibratos. Sie erscheinen im Sonagramm oft wie ein Nachklingen der Maximal- und Minimalfrequenzen, mitunter auch wie phasenverschobene Fragmente des Vibratoverlaufes. Am besten sind sie in den höheren Lagen von Frauenstimmen zu beobachten. Sie bilden über Teilphasen des Vibratozyklus deutlich auftretende inharmonische Schallanteile. Allerdings ist der Schallpegel dieser Beiträge wesentlich geringer als der der zugehörigen harmonischen Spur des Teiltones (typischerweise 10 dB darunter). Näheres dazu wurde 1992 publiziert (Stolze, 1992). Shadle,C.H., Barney,A., Davies,P.O.A.L. (1998): Fluid flow in a dynamic mechanical model of the vocal folds and tract. II. Implication for speech production studies. J. Acoust. Soc. Am. 105(1), pp. 456-466 Stolze, H. (1992): Die Bedeutung inharmonischer und polytonaler Strukturen in der Singstimme, Vortrag auf dem Internationalen Symposium "Das Phänomen der Stimme", Bad Boll, 27-29. März 1992. (Das Manuskript ist in deutsch und englisch über forum-stimme.de erhältlich) Teager H.M. and Teager S.M. (1990). Evidence for nonlinear sound production mechanisms in the vocal tract, in Speech production and speech modeling , edided by W.J. Hardcastle and A.Marchal (Kluwer Academic, London), pp. 241-262 |
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