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Obertöne- eine kurze Erklärung der Klangstruktur und der Singtechnik

Obertöne hat jeder stimmhafte Laut
Obertöne sind an sich nichts Ungewöhnliches. Jeder stimmhafte Laut enthält Obertöne. Stimmhaft wird ein Laut genannt, wenn die Stimmlippen schwingen, wie bei allen Vokalen und Umlauten und beispielsweise auch bei n, m, l. Diese Laute hören wir mit einer klaren Tonhöhe - im Gegensatz zu Lauten wie f, p, sch, die Rauschcharakter haben.

Nun liegt die Frage nahe, wie es kommt, dass wir einen Ton als A, einen anderen als U hören. Die Erklärung ist: ein Ton der Stimme besteht immer aus vielen Teilen, die man auch Teiltöne nennt.
Zu jedem Vokal lassen sich zwei festliegende, charakteristische Tonhöhenzonen angeben. Sind die Teiltöne in diesen Zonen (Formantregionen) besonders stark, so hört man den entsprechenden Vokal.




Die Abbildung gibt die Formantbereiche für den Vokal A an. Sie lassen sich als Tonhöhenzonen ausdrücken. Der Formant 1 des A, der einen dunklen Klangbeitrag zum A liefert, liegt etwa im Bereich von c´´bis e´´. Der Formant 2 des A, er liefert einen hellen Klanganteil des A, liegt etwa im Bereich von h´´bis es´´´.
Normalerweise hört man die Teiltöne nicht einzeln. Dies geschieht erst, wenn ein Teilton viel lauter ist, als die in seiner Umgebung.

Obertöne sind Teiltöne. Teiltöne sind Obertöne bis auf den tiefsten Teilton (Teilton Nummer 1), er wird in der älteren Nomenklatur als Grundton bezeichnet.

Dies beruht auf einem historischen Missverständnis der Tonhöhenwahrnehmung. Ausführliche Informationen zu Teiltönen und Formanten gibt es unter folgendem Link: >Teiltöne

Hinweis: Je höher man in der Reihe der Teiltöne aufsteigt, umso enger liegen sie beieinander.

Würde man die Teiltöne nicht ihrer Tonhöhe entsprechend auftragen, sondern nach ihrer Grundfrequenz, so wäre der Frequenzabstand von Teilton zu Teilton derselbe. So hat etwa ein Ton von 100 Hertz Grundfrequenz folgende mögliche Teiltonpositionen: 100, 200, 300, 400, 500, 600, 700, etc. Hertz.



Singtechnik und Wahrnehmung
Wie erzeugt man nun so starke Teiltöne? Dazu ist es erforderlich, den Vokaltrakt (Luftraum über dem Kehlkopf bis zum Mund/zur Nasenöffnung) so einzustellen, dass eine möglichst ungedämpfte Resonanz im Frequenzbereich eines Teiltones entsteht. Es gibt dazu verschiedene Techniken. Um gute Resonanz zu erreichen ist es üblich, die Muskeln im Bereich des Vokaltraktes möglichst gespannt zu halten. Denn stramm gezogene Wandungen absorbieren weniger Schall, die Resonanz wird intensiver und auf einen engeren Frequenzbereich gebündelt. Zudem gleitet man fein kontrolliert zwischen den Sprachlauten, um so die Resonanzfrequenz genau auf einen bestimmten einzelnen Teilton abzustimmen. Es gibt auch die Technik, auf einen ng-Laut zu singen, der garantiert die resonanzfördernde Spannung im Gaumen und im hinteren Zungenbereich.

Noch eines ist wichtig beim Obertonsingen: sich Zeit nehmen. Beim normalen Sprechen gleiten wir mit der Sprechtonhöhe so schnell auf und ab, dass sich ein einzelner Oberton gar nicht richtig entwickeln kann. Reinhard Schimmelpfeng erklärt das in einem Kurzinterview und gibt eine einfache Anleitung, wie man durch langsames Gleiten von Vokal zu Vokal Obertöne hörbar macht.

Neben der Struktur des Stimmschalles spielt auch die Höreinstellung eine wichtige Rolle. Wenn man einzelne Teiltöne erst einmal gehört hat, stellt man sich darauf ein. Oft hört man dann auch bei normalen Tönen gelegentlich die Quinte (+ 1 Oktav) oder die Terz (+2 Oktaven) über der Tonhöhe des Tones als einzelnen Teilton heraus.



Obertonsingen als Mehrsimmigkeit
Da man neben den hervorgehobenen höheren Teiltönen auch den Grundton hört, bezeichnen manche Autoren das Obertonsingen auch als mehrstimmig. Die Obertöne haben zudem die Tendenz, dass man sie im Raum so wahrnimmt, als würden sie sich abgelöst vom Grundton ausbreiten. Gerade in größeren Räumen mit Nachhall führt dies zu interessanten räumlichen Klangschichtungen.

Artikulationsbewegungen erzeugen Tonfolgen
Dies ist ein vollkommen unerwartetes Erlebnis für den, der das Obertonsingen neu erlernt. Ein Beispiel: Eine Änderung der Zugeneinstellung von der Position von E zu der von I bringt eine Tonfolge hervor, etwa c´´´- d´´´- e´´´.
Und auch rein theoretisch ist es schon bemerkenswert, dass hier die vermeintlich grundlegende Aufgabentrennung von Tonhöhenbildung im Kehlkopf und Lautbildung im Vokaltrakt aufgehoben ist. Dies kann auch als Anlass gesehen werden, Hörgewohnheiten zu hinterfragen und letztendlich weiter zu entwickeln.

Obertonsingen lernen
Das Obertonsingen im Prinzip zu erlernen ist nicht schwer. So kann jeder sängerisch einigermaßen Begabte diese faszinierende Seite der Stimme in einem Kurzworkshop erfahren und ausbauen. Gelegenheit dazu gibt es in einem Workshop des bekannten Obertonsängers Reinhard Schimmelpfeng auf den Stimmtagen Bremen am 6. Oktober 2007 nachmittags. Er gibt dann am Abend ein Konzert, auf dem man die Kunst des Obertongesanges erleben kann.


WEITERE INFORMATIONEN

WISSEN
> Ausführliche Erklärung von Teiltönen und Formanten
> Begriffsklärung Formant

JOURNAL
> Kurzinterview mir Reinhard Schimmelpfeng (mit einfacher Übung zum Obertonsingen)

PRAXIS
> mehr zu Workshop/Konzert, mit einer Beschreibung des Erlebens von Obertönen (R. Schimmelpfeng)
> Unterricht, Workshops, Konzerte von Reinhard Schimmelpfeng


WISSEN / JOURNAL / PRAXIS
Dieser Artikel ist ein Musterbeispiel für die Darstellung eines Themas im triadischen Konzept dieser Website von Wissen, Jounal und Praxis. Sie finden in ihm eine nicht zu lange, allgemeinverständliche Behandlung des Themas (Typ "Journal") und können dazu einen ausführlicheren, wissenschaftlichen Artikel oder eine Bergriffsklärung aufrufen (Typ "Wissen") oder Informationen zur praktischen Ausübung öffnen (Typ "Praxis"). Ergänzend gibt es auf der Journal-Ebene das Interview mit dem Obertonsänger Reinhard Schimmelpfeng.