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Es gibt kein Stimmorgan-
oder Stimme als Zustand


"Lautes Organ" versus Netzwerk
Auch wenn es mitunter heißt, dieser oder jener habe ein "lautes Organ", genau betrachtet gibt es kein Stimmorgan. Zwar hat der Mensch ein Organ zum Hören und eines zum Sehen und auch dem Gehen oder Greifen lassen sich recht konkret bestimmte Körperteile zuordnen. Die Stimme aber hat kein eigenes Organ, sie bedient sich einer Reihe von Organen, die ihrererseits ganz andere "primäre" Aufgaben haben. Die Stimmfunktion organisiert sich also ein Netzwerk aus Körperteilen, die ursprünglich für andere Aufgaben angelegt wurden und diese auch weiterhin wahrnehmen.

Dies sind im wesentlichen:

  • die Lunge mit den Bronchien und der Luftröhre, die "primär" der Atmung dienen
  • der Kehlkopf mit den darin befindlichen Stimmlippen, der "primär" als ein Schutzventil für die Lunge dient
  • Teile des Rachens, Zunge, Mund, Gaumen - sie alle dienen "primär" der Nahrungszerkleinerung und dem Weitertransport in die Speiseröhre.

Wenn dies Organe zur Produktion eines stimmhaften Lautes vernetzt werden, übernehmenen sie folgende Aufgaben:

  • Lunge und Bronchien stellen Druckluft zum Antrieb der Stimmlippenschwingung und zum Aufbau von plötzlichen Druckschwankungen bereit
  • Die Stimmlippen kommen ins Schwingen und öffnen oder verschließen periodisch den Luftdurchfluß. Dadurch kommt es zu plötzlichen Druckänderungen, die man sich wie eine Folge von kurzen Knalls vorstellen kann.
  • Rachen, Zunge, Mund und Gaumen formen den Luftraum oberhalb des Kehlkopfes bis zur Mundöffnung. Damit lassen sich die Echos der oben erwähnten Knalls verschieden formen, was zu verschiedenen Klängen - zum Beispiel verschiedenen Vokalen- der Stimme führt.

Dass diese Organisation der Stimme nicht so ganz einfach ist, kann man sich leicht vorstellen, wenn man bedenkt, dass die primären Funktionen der beteiligten Organe eingeschränkt oder aufgehoben werden müssen.
  • Das Ein- und Ausatmen kann nicht so erfolgen, wie es ohne Stimme abliefe. Typischerweise muss schneller eingeatmet und langsamer ausgeatmet werden.
  • Der Kehlkopf bildet ein Ventil, das "primär" entweder ganz offen ist (beim Atmen), oder ganz zu (beim Schlucken, Pressen...). Unter der Stimmfunktion fängt es an, schnell zu flattern - eigentlich ein ganz unbrauchbares Verhalten für ein Schutzventil.
  • Die Organe der Nahrungszerkleinerung bringen sonst eher starke Kräfe auf und bewegen Materialien, wobei interssante Geschmackserlebnisse auftreten. Unter dem Kommando der Stimmproduktion müssen sie betimmte Formen einnehmen und werden über das Gehör kontrolliert

Zustand als Stimme
Damit die Stimme nun in ihrem Sinne mit diesen "Fremdorganen" umgehen kann, muss sie nicht nur deren "Hardware" ungewohnt einsetzen, sondern auch noch deren primäre Steuerfunktionen weitgehend ausschalten. Diese sitzen jedoch sozusagen sehr tief, so dass eine gute Stimmfunktion auch von der "Softwareseite" her eine komplexe Leistung ist. Und dass dann in der Stimme neben den vorgestellten Worten durchklingt, wie der Mensch gerade körperlich und seelisch "drauf ist", ist unter diesen Bedingungen leicht nachvollziehbar. So spiegelt sich der "Zustand" eines Menschen in der Stimme.

Stimme als Zustand
Man kann durchaus sagen, während der Stimmbildung sind viele Teile des Körpers in einen ganz speziellen Zustand versetzt. Eben in den, der zur Produktion von Stimmlauten nötig ist. Und der weicht erheblich von dem "normalen" ab. Stimme ist somit ein Zustand des Körpers und der erfasst nicht nur die oben genannten Organe, sondern den ganzen Körper. Zum einen schon deshalb, weil der Stimmschall den Körper ganz durchdringt und überall registriert werden kann, aber auch weil der mentale Zustand "Stimme" die neuronale Steuerung vom Zeh bis zur Schädelhaut modifiziert.