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Wissen, Lehrmittel, Diskussion
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Rubrik
Fachbegriffe
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Thema
Primärklang-Filter-Modell
Heinz Stolze, Institut für Stimme und Kommunikation, Bremen

in www.forum-stimme.de

update vom 15.10.2001


Das Primärklang-Filter-Modell und das Problem, das objektive Wissen über Stimme und Stimmfunktion zu verbreiten

Links zu den einzelnen Abschnitten und den Experimenten (Verteiler)


Vorweg

1. Worum es geht

2. Die Probleme des Modells und seiner Rezeption

3. Eine typische Quelle von Mißverständnissen

4. Gedanken zur Herstellung von Allgemeinverständlichkeit

5. Ansätze zu einer Alternative

6. Zum vorläufigen Schluß

Experiment 1: Vokaltraktresonanz bei offener/geschlossener Glottis

Experiment 2: Abhängigkeit der Stimmlippenschwingung vom gesungenen Vokal

Literaturtip


Der obige Verteiler ist aus dem laufenden Text heraus immer wieder über ***Links*** erreichbar.

Vorweg
Eigentlich sollte es hier um eine Kritik an der Rezeption und Weiterverbreitung des Primärklang-Filter-Modelles im Bereich der Bücher und Lehrveranstaltungen über die Stimme gehen, die sich an einen interdisziplinären, vor allem praxisbezogenen Kreis wenden. Bei der Arbeit an diesem Thema wurde dann klar, daß dazu auch generelle Fragen zum Thema "naturwissenschaftlich orientierte Stimmforschung und ihre Anwendbarkeit für Sänger, Sprecher, Pädagogen etc" behandelt werden sollten, um schließlich auch Ansätze für einen besseren interdisziplinären Umgang zur Diskussion zu stellen.
***Links***


1. Worum es geht
Viele stellen sich die Frage: Wie funktioniert die Stimme eigentlich? Und diejenigen, die an ihrer Stimme oder der Stimme anderer arbeiten wollen, haben guten Grund, diese Frage genau und sorgfältig zu verfolgen. Wer sich nicht mit oberflächlich-allgemeinen Antworten zufrieden gibt, wird bald merken, daß es eine schnelle und abschließende Erledigung nicht gibt. Die Frage zielt schließlich auf physikalisch-akustische Zusammenhänge, die sich gar nicht ohne weiteres allgemeinverständlich erklären lassen. Allein zu klären, was "Stimme" physikalisch ist, ist nicht leicht getan, und ist doch eine Voraussetzung, um zu erklären, wie sie entsteht.
Also ist jeder Versuch von Experten, die komplizierten Vorgänge der Stimmproduktion allgemeinverständlich darzustellen, zu begrüßen. J. Sundberg ist mit seinem Artikel im Scientific American (1977), der in deutsch im Spektrum der Wissenschaften erschien mit Engagement und gutem Willen an diese Aufgabe herangegangen. Mit dem Buch "The Science of the Singing Voice" (1987) zeigte er sich später als unermüdlicher Forscher, der eine kompetente Übersicht über die naturwissenschaftlich orientierte Erforschung der Stimme, zu der er maßgeblich beigetragen hat, vorlegte. Es erschien unter dem Titel "Die Wissenschaft von der Singstimme" 1997 auch in deutscher Übersetzung. Gerade die Darstellung in Scientific American ist in vielen Büchern über die Stimme aufgegriffen und verbreitet worden und als Primärklang-Filter-Modell bekannt.

Sundberg, J.: The Acoustics of the Singing Voice, Scientific American, 3/1977
Deutsch in : Winkler, K.: Die Physik der Musikinstrumente (Spektrum der Wissenschaft: Verständliche Forschung), Heidelberg 1988; ISBN 3-922508-49-2
Sundberg, J.: The Science of the Singing Voice, Dekalb: Northern Illinois University Press,1987
Sundberg, J.: Die Wissenschaft von der Singstimme, Bonn, Orpheus-Verlag,1997

Der Autor dieses Artikels hat nun in vielen Gesprächen mit Schülern, Studenten und auch fertig ausgebildeten Logopäden, Gesangspädagogen und Phoniatern festgestellt, daß sie das Primärklang-Filter-Modell kennen, mitunter auch dozierend weitergeben, aber elementare Fragen dazu nicht beantworten können. Vor allem, was Primärklang eigentlich sein soll, ist den meisten Gesprächspartnern im Grunde genommen unklar gewesen. Zudem handelt das Modell von Resonanz, für viele von Verstärkung durch Resonanz, was ja (siehe unsere Darstellung zur Resonanz ) nicht möglich ist. Auf Verständnisprobleme und ihre Ursachen wird unten näher eingegangen.

Es gibt aber auch erhebliche Widerstände, solch ein Modell überhaupt zu akzeptieren und das zu recht. Schließlich wird es im allgemeinen etwa wie folgt präsentiert: Über den Stimmlippen entsteht ein Primärschall, dieser ist unabhängig davon, wie der Vokaltrakt (das Ansatzrohr) eingestellt ist, also unabhängig vom gesprochenen oder gesungenen Vokal. Der Vokaltrakt "überformt" dieses "Rohmaterial" des Primärklanges dann und bildet daraus den Klang, der vom Mund abgestrahlt wird.

Nun fühlt aber jeder Sänger, daß schon die Phonation- also die Schwingung der Stimmlippen im Kehlkopf- sehr verschieden abläuft, je nachdem, welcher Vokal gesungen wird. In bestimmten Lagen können Sänger bestimmte Töne in einer bestimmten Lautstärke auf einem Vokal singen, auf einem anderen nicht. Die Vorstellung von der Existenz eines "ungeformten Klanges" ist sicher nicht sehr glücklich. Die genauere Analyse einer solchen Vorstellung und der Nachweis ihrer Unbrauchbarkeit ist nicht ganz einfach, ich versuche unten eine allgemeinverständliche Darlegung der Situation.

Die Rezeption des Modells ist also total unbefriedigend. Denn schließlich ist es von zentraler Bedeutung, daß die verschiedenen Disziplinen, die an der Stimme arbeiten, sich verständigen können, wie die Stimme überhaupt funktioniert. In den Ergebnissen der modernen Stimmwissenschaft liegt ein derart fulminantes Entwicklungspotential für alle stimmpraktischen Anwendungen, daß eine interdisziplinär verständliche Darstellung der Grundlagen überfällig ist. Somit lohnt es sich, zu versuchen, das vorliegende Wissen besser zu erschließen.
Um später einen solchen Erschließungsversuch mit guten Aussichten wagen zu können, wird hier eine Betrachtung des derzeitigen Standes gegeben und die Möglichkeit einer interdisziplinär verständlichen und fruchtbaren Darstellung skizziert. Dies geschieht in der Hoffnung auf Ihre Rückmeldungen und Anregungen.

***Links***

Bevor es ins Détail geht, sei noch ein Blick über den Atlantik geworfen. In den USA sind Ansätze zur Verbindung wissenschaftlicher Stimmforschung mit den Anwendungsdisziplinen weiter gediehen, und es wird bereits über eine geeignete Organisation von Ausbildungsgängen (curricula) diskutiert.

Titze,I.R.: Rationale and Structure of a Curriculum in Vocology, Journal of Voice, Vol. 6, No. 1, pp. 1-9
Scherer, R.C. (Moderator): Discussion of Vocology Panel Presented at the Nineteenth Annual Symposium: Care of the Professional Voice, Journal of Voice, Vol. 6, No. 1, pp. 10-16

Ein wesentlicher Fortschritt in der Verbreitung vokologischer Forschungsergebnisse (Vocology=naturwissenschaftlich orientierte Stimmforschung) ist Titzes Buch "Principles of Voice Production". Allerdings setzt ein echtes Verständnis des Buches naturwissenschaftlich-mathematische Kenntnisse (Umgang mit mathematischen Formeln) voraus, die vielen am Thema Interessierten nicht zu Verfügung stehen.

Titze,I.R.: Principles of Voice Production, Prentice-Hall, Inc.,1994

In diesem Buch finden wir den Begriff "source" für die akustische Anregung des Vokaltraktes über den Stimmlippen und dementsprechend die "source-filter theory of vowels". Wer sich ernsthaft fragt, ob und wie Resonanz im Vokaltrakt verstärken kann (siehe Resonanz), findet sich aber auch hier im Stich gelassen. Auf Seite 230 dürfte er sich zunächst von Titze bestätigt sehen:

Although there is no actual power amplification (the vocal tract is a passive system that can only dissipate energy), certain select frequencies are given a boost over others.

Im folgenden Text und der zugehörigen Abbildung (Fig. 9.8) wird aber nur wenige Zeilen danach dargestellt, daß die Frequenzen der "source" einen "boost" (= Verstärkung, in dB angegeben) gegenüber dem source-Pegel und nicht nur gegenüber "others" erfahren.

The difference between the tops of the harmonic lines and the horizontal bar is the relative amount of boost that the vocal tract gives to each harmonic...(relative hier= Verhältnis von Pegel am Mund zum Pegel der "source")

Dieser "boost" kann nur als echte Verstärkung (es kommt am Mund mehr raus, als via "source" in den Vokaltrakt hineingeht) verstanden werden - somit als Widerspruch zur ersten Aussage, daß "no actual power amplification" möglich ist.

Des Rätsels Lösung verlangt zunächst die Klärung, was genau diese "source" beziehungsweise der Primärklang ist.
***Links***


2. Die Probleme des Modells und seiner Rezeption
Im folgenden werden vier Probleme dargelegt.

Problem1: Was ist Primärklang?
Zwei Möglichkeiten wurden in vielen Gesprächen diskutiert.

Variante a: Klang des Kehlkopfes ohne angekoppelten Vokaltrakt
Der Primärklang ist der Klang, der entstehen würde, wenn der Kehlkopf im Freien betrieben wird, also ohne Ankopplung des Vokaltraktes.

Diese Vorstellung ist dann akzeptabel, wenn der Vokaltrakt keinen Einfluß darauf hat, wie die Stimmlippen schwingen, und wie sich dabei die hindurchströmende Luft verhält. Im Prinzip kann man diese Annahme machen, um zunächst überhaupt einmal weiter zu kommen, ohne alles zu verkomplizieren. Aber das muß dann ausführlich diskutiert werden, bevor das Modell präsentiert wird.

Als Anwender wird man diese Vereinfachung sicher als zu radikal empfinden. Schließlich wird die Kehlkopfschwingung ja nicht von einem Motor angetrieben, der womöglich stark genug ist, seine Drehzahl auch bei höherer Last konstant zu halten. Die Schwingung entsteht in einem komplexen Zusammenspiel zwischen elastischen, dynamischen, akustischen und aerodynamischen Kräften. Experten (u.a. auch Titze) weisen darauf hin, daß die Ankopplung des Vokaltraktes wesentlich ist für die Entstehung dieser Schwingung. Es ist bekannt, daß Kehlköpfe auch ohne Vokaltrakt als Schallquelle funktionieren können. Allerdings wird man kaum annehmen können, daß der dabei entstehende "Primärklang" eine geeignete Ausgangsgröße ist, um ihn in einem Modell als "Input" für den Vokaltrakt zu verwenden und dann den Ausgangsklang am Mund zu berechnen. Insbesondere wird man davon ausgehen müssen, daß nicht einmal die Schwingungsfrequenz (Grundfrequenz) eines solchen Klanges dem entspricht, der sich im Betrieb zusammen mit dem Vokaltrakt einstellen würde.

Variante b: Klang des Kehlkopfes vor der "Überformung" im angekoppelten Vokaltrakt
Die zweite Möglichkeit, den Begriff "Primärklang" zu verstehen ist folgende: Der Primärklang ist ein im Kehlkopf erzeugter Klang, der in den Vokaltrakt eintritt und dort "überformt" wird, so daß er schließlich modifiziert am Mund austritt.

Stellen wir uns unter dem Primärklang eine Schallwelle vor, die vom Kehlkopf losläuft, so ist dieser Ansatz sicher im wesentlichen richtig. Man kann sich vorstellen, daß im Vokaltrakt die Schallwelle mehrfach reflektiert wird - auch an der Mundöffnung- und daß schließlich eine Überlagerung von Reflexionen und Direktschall (der Anteil, der unreflektiert vom Kehlkopf zum Mund und von dort nach außen geht) aus dem Mund austritt. Dies ist eine zeitliche Betrachtung, das "Nacheinander" des Entstehens einer komplexen Welle wird dabei untersucht.Das Problem ist aber: genau dieser "Rohklang" kann der Primärklang des vorgegebenen Modells nicht sein. Warum?

Wir müssen uns dazu darüber klar werden, daß das Modell einen stationären Zustand beschreibt. Das heißt folgendes: alle Einschwingprozesse sind abgeschlossen. Der "Primärklang" und der Klang am Mund sind periodische Schallverläufe. Die oben in einer zeitlichen Betrachtung dargestellten Reflexionen sind in ihrem Endergebnis für den "Primärklang" sozusagen eingearbeitet. Man muß sich klar machen, daß es in der Beschreibung des Primärklang-Filter-Modells, die stationäre Zustände benutzt, kein Vorher und kein Nachher gibt. Der Schallenquellenklang kann in einem solchen Modell also nicht vor dem aus dem Mund austretenden Ergebnisklang gedacht werden. Sie werden als gleichzeitig und "eingeschwungen" behandelt. Die Bezeichnung "primär" ist somit im Sinne von zeitlich vorangehend nicht anwendbar.

Am Rande sei bemerkt, daß der Begriff "Klang" sicher gut gemeint ist, um das Modell zu veranschaulichen. Würde man aber physikalischer formulieren -schließlich ist das Modell ein physikalisches-, würden sich die Schwächen klarer zeigen. Man müsste von dem Schall sprechen, der über der Glottis im Vokaltrakt vorliegt und eine entsprechend physikalische Größe (Druck, Schnelle) benennen. Daß dieser nicht nur von der Kehlkopffunktion abhängt, sondern auch von den Vokaltrakteigenschaften fällt sofort auf. Man vergleiche den Vokaltrakt mit einer Badewanne, den Kehlkopf mit einem Kind, das mit den Füßen im Wasser patscht. Wenn dieses Patschen regelmäßig geschieht, kann sich ein stationärer Zustand einstellen. Das Kind patscht nun auf einer bewegten Oberfläche und die Anregung des Wassers durch die Fußbewegung hängt nicht nur von dieser Bewegung ab, sondern sehr stark davon, ob das Wasser gerade hoch oder tief ist, die Welle sich gegen oder mit der Bewegung des Fußes bewegt. Die Energieübertragung an das Wasser hängt also nicht nur von der "primären" Fußbewegung ab, sondern auch von Schwingungszustand im Wellenbecken. Selbst die Bewegung des Fußes wird von den Wellen im Becken beeinflußt.
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Problem 2: Der Vokaltrakt kann nur statisch beschrieben werden
Die akustischen Eigenschaften des Vokaltraktes sind bekanntlich verschieden, je nachdem, wie weit die Glottis geöffnet ist. Wieder im Sinne einer Reduktion auf das Wesentliche stellt sich der Wissenschaftler eine "mittlere" Situation vor und benutzt diese für das Primärklang-Filter-Modell.
Das sollte er dem Leser aber auch klar und deutlich mitteilen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Realitätsnähe des Modells darunter erheblich leidet. Der nicht erfasste Prozess läßt sich für die Modalstimme (Brustregister) wie folgt skizzieren: Wir betrachten den starken Schallpuls, der beim Schließen der Stimmlippen entsteht. Die Glottis wird ziemlich abrupt geschlossen, die Luft oberhalb ist wegen ihrer Massenträgheit weiter nach oben in Bewegung, von unten kommt aber nichts mehr nach. So entsteht ziemlich plötzlich ein Unterdruckgebiet über den Stimmlippen. Dieser Unterdruckpuls löst eine Welle aus, die im Vokaltrakt hin und her läuft und dabei ein Schwingungsmuster aufbaut. Nach einem Bruchteil der Schwingungsperiode (ca 40%-60%) öffnet sich die Glottis wieder. Der Schall kann nun durch die Glottis in die Luftröhre eintreten, das Schwingungsmuster im Vokaltrakt organisiert sich neu und ebbt durch die zusätzliche Abflußmöglichkeit bedingt ab. Der Abklingprozeß ist in den Schalldruckkurven oft deutlich erkennbar. Er spielt eine ganz erhebliche Rolle für die Frage, wie bedeutsam die Resonanz des Vokaltraktes für die Stimmproduktion ist. Zudem kann subglottaler Schall (unterhalb der Glottis laufen analoge Prozesse mit einem Überdruckpuls ab) nach oben durchdringen.

Es gibt ein kleines Experiment, mit dem man sich selbst einen Eindruck von dem Einfluß der Glottisöffnung auf die Vokaltraktresonanz machen kann.

Experiment 1: Vokaltraktresonanz bei offener/geschlossener Glottis
Pitschen Sie mit dem Zeigefinger seitlich gegen Ihren Kehlkopf. Hören Sie dabei auf das Nachklingen im Vokaltrakt. Stellen Sie diesen so ein, als ob sie ein "a" sprechen wollten. Der Nachklang wird a-mäßig. Versuchen Sie auch andere Vokale.

Vielleicht haben Sie beim Ausprobieren unwillkürlich die Luft angehalten, vielleicht auch nicht. Vergleichen Sie nun den Fall a) mit angehaltener Luft bei geschlossener Glottis und b) bei offener Glottis.

Realisierungsvorschlag:
a) atmen Sie ein und halten Sie in dem Moment, in dem die Ausatmung einsetzen würde die Luft an, indem Sie den Kehlkopf verschließen. Wahrscheinlich verspüren Sie eh einen leichten Reflex, dies zu tun.
Pitschen Sie nun und hören Sie auf das "Echo" im Vokaltrakt.
b) lassen Sie die Luft ausströmen, und halten sie danach die Kehlkopföffnung weit, am besten ohne weiterzuatmen.
Pitschen Sie nun wieder und hören Sie auf das "Echo" im Vokaltrakt.
Vergleichen Sie mehrmals beide Situationen miteinander. Der Unterschied ist üblicherweise erheblich.

Natürlich ist anzumerken, daß bei diesem Experiment (in Teil b)) die Glottis weiter geöffnet ist, als während der Phonation.

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Problem 3: Das Modell wird oft als vollständiges Modell der Stimmentstehung vorgestellt
Manche Publizisten präsentieren das Modell als eine generelle Beschreibung der Stimmfunktion. Letztendlich handelt es sich aber vor allem um die Beschreibung, wie der Vokaltrakt akustisch funktioniert: Bei gegebenem Input (der nicht näher zu untersuchen ist) entsteht der nach dem Modell berechenbare Output.

Das benutzte Eingangssignal (der Primärklang) wird in den meisten Publikationen quasi aus dem Hut gezaubert. Die komplexeren Fragen, und vor allem die für den Praktiker bedeutsamen, zielen ja gerade darauf, das Zustandekommens dieses Schalles zu klären. Das Modell ist klanglich so ungenügend, daß auch die Experten, die Computerstimmen entwickeln, schon früh zu besseren Verfahren übergegangen sind. Allerdings sind diese Modellierungen ungleich komplexer.
Für den erfahrenen Naturwissenschaftler oder Ingenieur ist das Modell die Anwendung eines geläufigen mathematischen Formalismus (linear response) auf die akustische Anregung des Vokaltraktes durch den periodisch unterbrochenen Luftstrom, der aus der Glottis austritt. Ist diese Anregung am Eingang des Vokaltraktes fest vorgegeben, dann läßt sich aus der akustischen Übertragungseigenschaft des Vokaltraktes (Transferfunktion) der Schall am Ausgang (Mund) berechnen. Das Modell ist mathematisch leicht handhabbar. Allerdings ist für die praktische Relevanz immer zu klären, wie dabei mit der Rückwirkung des Schalles im Vokaltrakt auf die "Anregung" umzugehen ist. Typische Möglichkeiten: a) Man begrenzt die Anwendung auf Stimmzustände, bei denen diese Rückwirkung keine Rolle spielt. b) Man benutzt als "Anregung" das faktisch über den Stimmlippen auftretende Signal, das mit Rückwirkung aus dem Vokaltrakt entstanden ist - somit aber wohl nicht die Bezeichnung "primär" verdient.

Problem 4: Begriffe wie Filter und Quelle sind zu eng gefasst um als alleinige Erklärungen zu bestehen
Dieser Punkt bedarf eigentlich einer ausführlichen Darlegung. Er sei dennoch angesprochen. Man könnte den Vokaltrakt (genau genommen die Luftsäule darin) ebenso als ein klingendes Gebilde ansehen und den Kehlkopf als eine Art Schlegelmechanismus - ähnlich wie Glocke und Klöppel einer elektrischen Klingel. Formalmathematisch ist es auch denkbar, die Glocke der Klingel als Filter zu betrachten - für den naturwissenschaftlichen Laien ist es aber schon befremdlich. Übrigens ist auch die Saite des Klavieres in dieser speziellen Variante mathematischer Modellierung ein Filter, das den Anschlagspuls des Hammers akustisch filtert.

Das soll sagen: mit "Filter" geht -von den Autoren i.a. nicht gewollt- eine Unterbewertung des Vokaltraktes einher. Der Vokaltrakt ist ein Klangraum, der wie übrigens alles -ob Teetasse, Lokomotive oder Besenstil- formal auch als akustisches Filter gesehen werden kann. Die Vorstellung, der Vokaltrakt sei sui generis ein Filter ist natürlich absurd und auch der Hauch einer solchen Vorstellung, der ja leicht aufkommt, ist jedenfalls pädagogisch ungeschickt.
Wenn der Filteraspekt beschrieben wird, wäre es wichtig, auch andere mögliche Aspekte vorzustellen. Überhaupt, es täte gut, vor allem lernfähigen und modern orientierten Menschen nahezubringen, daß die Dinge nicht so oder so s i n d, nur weil wir uns ihre Funktion in dieser oder jener Art richtig v o r s t e l l e n können.
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3. Eine typische Quelle von Mißverständnissen
Eine typische Quelle von Mißverständnissen zwischen Naturwissenschaftlern und Pädagogen ist die verschiedene Bewertung des Weglassens von Détails bei der Modellierung des Prozesses der Stimmproduktion .

Die großen Erfolge der klassischen Naturwissenschaft gründen sich auf der Fähigkeit einiger genialer Wissenschaftler, in komplexen Gegebenheiten die Fakten auf das Wesentliche zu reduzieren. Typisch ist Newtons Erkenntnis, daß die Geschwindigkeit eines Körpers, auf den eine konstante Kraft wirkt, permanent zunimmt. Wirkt keine Kraft ein, ist die Geschwindigkeit konstant. In einem schwerelosen und kräftefreien Raum wäre dies leicht zu erkennen - in unserer alltäglichen Umgebung ist es nicht evident. Durch Reduktion auf das Wesentliche Grundprinzipien zu erkennen, die im Alltäglichen nicht offenbar werden, das ist genial. Genau das war die Grundlage der klassischen Naturwissenschaft.

Für Techniker und Naturwissenschaftler ist es tägliche Routine, Modelle zu vereinfachen, bestimmte Mechanismen wegzulassen. Dabei geht es wie gesagt darum, den Blick auf das Wesentliche zu richten, oder Rechnungen mit einem vertretbaren Aufwand zu ermöglichen. Dabei ist es dann eine Kunst, gewisse Détails zu eliminieren und trotzdem Ergebnisse zu erzielen, die für eine bestimmte Anwendung brauchbar sind. Das Primärklang-Filter-Modell wird im allgemeinen so verstanden, daß die Wechselwirkung zwischen den akustischen Funktionen von Kehlkopf und Vokaltrakt bei der Schallentstehung im Kehlkopf nicht berücksichtigt wird. Das mag dem Wissenschaftler hilfreich erscheinen, um zunächst Grundlegendes abzuklären, für den Sänger beispielsweise ist das von vornherein gänzlich undiskutabel.

Dazu ein kleines Experiment:

Experiment 2: Abhängigkeit der Stimmlippenschwingung vom gesungenen Vokal
Singen Sie den Ton d´ (D4) ( am Klavier die weiße Taste rechts neben dem mittig auf der Tastatur gelegenen "Schloß-C", dies ist für Männerstimmen ein "hohes d", für Frauenstimmen ein "tiefes d") zunächst auf den Vokal "u" und dann auf "a". Männer können auch im Falsett singen. Fühlen Sie nach, ob Sie den Eindruck haben, daß der Kehlkopf bei beiden Vokalen gleichartig funktioniert oder verschieden. Konkret könnte das heißen:

Lassen sich beide Töne mit derselben Leichtigkeit bilden?

Sagt Ihnen Ihr Gefühl in der Kehle eher, daß für jeden Vokal eine insgesamt andere Einstellung vorliegt?

Vielleicht haben Sie die Vorstellung, daß die "akustische Last" verschieden ist, und der Kehlkopf daher verschieden arbeitet?

Oder läuft im Kehlkopf exakt dasselbe ab und die Bildung der Vokale ist allein eine Sache des darüber befindlichen Vokaltraktes?

Versuchen Sie verschiedene Lautstärken und experimentieren Sie auch mit Tönen in der näheren Umgebung.
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Facit: die Klärung der Anwendbarkeit und der Leistungsfähigkeit eines Modelles wird zu oft vernachlässigt. Sie ist meist noch komplexer als das Modell selbst. Es ist interessant zu bemerken, daß viele Publikationen, die für die Stimmfunktion bedeutsam sind, von vornherein als Studien zur Verbesserung synthetischer Stimmen tituliert werden, wodurch formal die Notwendigkeit einer Anwendungsdiskussion für die Stimmpraxis entfällt. Für den Sektor Stimmsynthese werden aus bekannten Gründen eher Mittel bereitgestellt als für die sprech- oder singpraktisch orientierte Stimmforschung.

In anderen Worten: Wissenschaftler nutzen Modelle bei der Beschreibung komplexer Systeme wie Werkzeuge. Das Linear-Response-Modell (die mathematische Formulierung des Primärklang-Filter-Modells) kann also quasi wie eine Zange eingesetzt werden. Einige Nägel lassen sich damit ziehen, viele andere nicht oder nur mit dem kombinierten Einsatz der Zange und weiterer Werkzeuge. Publizisten und Laien mißverstehen die Situation oft gründlich. Sie meinen, das Modell sei eine Spieglung der Realität, die vielleicht kleinere, mehr oder weniger unbedeutende Abweichungen aufweist. Eine tiefere Reflexion darüber, inwiefern ein brauchbares Werkzeug auch immer eine Art Spiegel der Realität ist, mag der Leser für sich selbst durchführen. Ein hilfreicher Aspekt dabei ist:ein Werkzeug braucht eine Handhabungsschnittstelle, die die Realität selbst nicht in dieser Art aufweist. Die eigentlich interessante Frage, inwiefern eine Stimmpädagogik mit einem solchen Modell wirklich etwas anfangen kann, wird leider kaum ernsthaft diskutiert. In vielen Ausbildungsgängen steht das Modell als unverstandener Ballast neben der Praxis.

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4. Gedanken zur Herstellung von Allgemeinverständlichkeit

Für den Fachmann ist das Primärklang-Filter-Modell ein einfaches Modell. Er kennt sich mit Spektren aus, und leicht ist es geschehen, daß er meint, auch für den Leser sei das alles ziemlich klar. Weit gefehlt! Selbst bei den Autoren von Büchern über die Stimmfunktion geht es mit dem Frequenzbegriff recht oberflächlich zu. Zunächst hat ein Ton eine Frequenz (die Grundfrequenz ist gemeint), zwei Seiten weiter hat er eine ganze Schar von Frequenzen (ein Spektrum). Es gibt kaum ein Buch über die Stimme, in dem der Leser sorgfältig in die spektrale Darstellung eingeführt wird. Der Versuch, sich in Fachliteratur schlau zu machen, ist sicher auch oft frustrierend. Fast möchte man sagen, mit Spektren gehen viele Autoren, die über die Stimme schreiben, selbst auf eine "angelernte" Art und Weise um. Dabei stellt sich gerade bei der Beschreibung der Stimmfunktion die Frage: muß denn überhaupt eine spektrale Darstellung im Vordergund stehen. Das gesamte Primärklang-Filter-Modell läßt sich ja im Zeitlichen beschreiben (Faltung) und dabei lassen sich die gemachten Einschränkungen viel besser erläutern und komplexere Betrachtungen hinzufügen. Der Mensch denkt nun mal üblicherweise in Zeitabfolgen. Nach der Beschreibung der Stimmfunktion im Zeitlichen muß natürlich eine spektrale Darstellung folgen, wobei die Beziehungen zwischen beiden sorgfältig aufzuzeigen sind. Eine ergänzende spektrale Darstellung ist allein wegen der Organisation des Hörens zwingend erforderlich.

Werfen wir einmal einen Blick auf die Sundberg´sche Darstellung im Scientific American (bzw. Spektrum der Wissenschaft). Hier liegt offensichtlich eine "populärwissenschaftliche" Präsentation vor. Sie richtet sich an Amateure der Wissenschaft. In ihrem Magazin finden sie etwas über neue Materialien in der Raumfahrttechnik, dann über die Schönheit von Spinnennetzen bei gleichzeitiger optimaler Funktionalität und dann eben noch, wie die Stimme funktioniert. Am Ende der Hefte steht eine Selbstbauanleitung für die Temperatursteuerung eines Aquariums für frisch geschlüpfte Kaulquappen oder für ein einfaches Radio. Bitte verstehen Sie das so, daß ausgesprochen sachkundige Autoren hier exzellente Arbeit leisten, indem sie für die Zielgruppe Amateure und angehende Wissenschaftler schreiben. Mein Verdacht ist, daß J. Sundberg für dieses Genre bewußt Zugeständnisse machte, daß aber viele andere Autoren den Artikel als Quelle benutzten, um in Büchern und Artikeln für Profis und Studenten die Stimmproduktion zu erläutern. In vielen Werken scheinen die eineinhalb Seiten über die akustische Funktion die ungeliebteste Passage des Autors zu sein. Sie fällt im Gegensatz zu den ansonsten verfochtenen Ideen oft ausgesprochen einmütig, um nicht zu sagen wiedererkennbar, aus.

Nun gibt es einiges, was im populärwissenschaftlichen Magazin am Platze ist, im Buch über die Stimme mit einem gewissen Anspruch als Lehrbuch aber nicht. Betrachten wir dazu die vielkopierte Abbildung der drei Kurven des Modells. Der avisierte Leserkreis wird sie eher dekormäßig verarbeiten als sorgfältig und inhaltsbezogen. Die Kurven drücken in ihrer Graphik recht anschaulich das Modell aus, sind den meisten Lesern aber im Grunde genommen nicht nachvollziehbar.

Die Bezeichnung der y-Achsen als "Amplitude" interpretiere ich mal als Ergebnis eines inneren Kampfes des Autors: soll ich physikalische Größen angeben? Schalldruck, Schallschnelle? - Kann ich nicht machen -versteht man nicht. Also such ich mal Begriffe, die vermitteln können, was gemeint ist. So gut gemeint das ist, so problematisch ist es auch. Wir finden also in der unteren Kurve das "Stimmbandspektrum". Gemäß Bildunterschrift ist es "das Schwingungsspektrum dieser ursprünglichen Welle des Gesanges". Über dieser Kurve ist die "Resonanzkurve des Stimmapparates" zu sehen. Achsenbezeichnung :"Amplitude" - wie an allen drei Kurven. Ordentlicherweise müßte an der Achse ja eine physikalische Größe stehen -aber (siehe oben) das würde zu sehr ins Fachliche gehen.

Hinter den Kurven steht noch ein weiteres Darstellungsproblem, das der Autor im gegebenen Rahmen sicher nicht abklären kann. Aber dem Leser stellen sich Verständnisfallen, er meint anhand der Bilder etwas verstanden zu haben. Wenn ihn aber jemand etwas ganz einfaches dazu fragt, sieht er all seine neuen Einsichten zusammenfallen. Intutitiv hat der Leser vielleicht richtig verstanden, daß das "Stimmbandspektrum" mit der "Resonanzkurve des Stimmapparates" zu multiplizieren ist und so das "hörbare Schallspektrum" ergibt. Wer die Kurven ansieht, stellt fest, daß die obere Kurve eher durch eine Art von Addition aus den unteren entsteht.
Für den Fachmann ist alles klar, aber für den Leser nicht. In der gewählten logarithmischen Darstellung erscheint die Multiplikation als Addition -wie beim Rechenschieber. Das ist natürlich viel zu weit her geholt und für viele mit Assoziationen an den ungeliebten Mathe-Unterricht verbunden. Aber wenn es nicht klar ist, sind die Kurven in ihrem Verlauf nicht interpretierbar, deshalb die oben -zugegebenermaßen überspitzt- gewählte Formulierung "dekormäßig".
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5. Ansätze zu einer Alternative
Die wesentlichen Ideen für solche Ansätze wurden bereits erwähnt, sie werden hier zusammengefasst und kurz erläutert.

Das Ziel ist eine Darstellung der Stimmfunktion, die möglichst viele Menschen, die mit Stimme zu tun haben verstehen können, die dabei aber nahe an der wissenschaftlichen Grundlage bleibt. Sie soll auch geeignet sein, um die Lektüre wissenschaftlicher Zeitschriften zu erschließen.
Als Basis sollte eine möglichst ausführliche Beschreibung der Stimmentstehung im Zeitlichen erfolgen. Erst später kann und muß die spektrale Darstellung dazukommen.

Für die Erklärung des Spektrums muß genügend Raum genommen werden. Der Leser wird verstehen, daß er sich auch einige Seiten lang mit Grundlagen beschäftigen muß. Der Autor kann das erleichtern, indem er immer wieder stimmbezogene Beispiele benutzt.

Statt der Konzepte der "Frequenzanalyse" (18./19. Jahrhundert) wäre der modernere Aspekt der "Frequenzdarstellung" (20. Jahrhundert, Quantentheorie, Funktionentheorie) geeigneter und hilfreicher. Ein ausführlicher Ansatz dazu ist in der hier vorliegenden Diskussion von Fachbegriffen zu finden. (Frequenz/Spektrum)

Zu den beschriebenen Modellen muß eine ausführliche Analyse ihrer Anwendbarkeit und ihres praktischen Nutzens gegeben werden.

Akustische Demonstrationen sind unabdingbar. Sie können viele Sachverhalte erfahrbar machen, auch wenn die textliche Beschreibung dem Leser nicht vollkommen klar wird.
Vor allem bestimmte Übungen können die Begriffe und Bedeutungen (Formant, Teiltöne...) erfahrbar machen. Das Klangkontakttraining ist ein Beispiel dafür, wie man mit dem Begriff der Formanten praktisch vertraut werden kann.
***Links***


6. Zum vorläufigen Schluß
Es ist mir sehr wichtig klarzumachen, daß ich alle zitierten Arbeiten für bereichernd halte und davon ausgehe, daß viele Leser sehr davon profitieren konnten.

Trotz der engagierten Arbeit dieser Autoren und auch anderer ist aber festzustellen, daß das Verständnis der Stimmfunktion in den Kreisen der daran interessierten Disziplinen sehr dürftig ist. Es ist zudem erschreckend, mit welch absurden Argumentationen einige Stimm-Gurus ihre Anhängerschaft begeistern und breite Kreise verunsichern und wie leicht und unwidersprochen sie eine wissenschaftliche Fundierung vorgeben können. Gerade unter den jungen Menschen sind viele, die sich fragen: wem kann ich denn nun eigentlich glauben. Manche mögen bezweifeln, das es sinnvoll ist, sich mit solchen "harten" Grundlagen zu beschäftigen- vor allem, wenn auch diese doch letztendlich nicht so absolut genau stimmen. Gegen diese Unsicherheit hilft nur eines: sich selbst ein Bild machen, was unter Fachleuten anerkannt ist, und wie sich dies in der Praxis umsetzen läßt. Die Stimme ist zwar sehr komplex, und wie sie genau funktioniert, das wird in einem menschlichen Gehirn wohl nie so ganz nachvollziehbar sein. Das bisher bekannte Wissen hilft aber ganz sicher, um viel Absurdes, das derzeit auf dem Markt ist, in Frage zu stellen und dann konsequenterweise auch abzulehnen.

Also ist es angezeigt, objektiv als richtig Erkanntes allgemeinverständlich darzustellen. Dies scheint gerade für den Fachmann schwer zu sein. Er hat spezielle Denkweisen, wenig Zeit, und sein Engagement für eine allgemeinverständliche Darstellung ist in der Regel "ehrenamtlich".
In dieser Situation ist der Erfahrungsaustausch zwischen Lesern und Autoren besonders nötig. Jede Rückmeldung von "Anwendern" und Publizisten ist hilfreich, um hier bessere Wege zu finden. Ihr Beitrag ist gefragt.


Literaturtip:

Es gibt eine experimentelle Arbeit, die sehr deutlich zeigt, wie groß die Druckschwankungen unter den Stimmlippen bei einem professionellen Bariton sind:

Schutte,H.K., Miller,D.G.: Resonanzspiele der Gesangsstimme in ihren Beziehungen zu supra- und subglottalen Druckverläufen: Konsequenzen für die Stimmbildungstheorie. Folia phoniatrica, 40:65-73(1988)

Beispiel (nach Abb.4 dieser Publikation): Auf F3 , Vokal "o" ist der mittlere subglottale Druck etwa 22 cm H2O, die Schwankung durch die subglottale Resonanz resultiert in einem Druckunterschied (zwischen maximalem und minimalen Wert) von ca 15 cm H2O. Ähnlich große Druckschwankungen ergeben sich oberhalb der Glottis durch die supraglottale Resonanz.

Aufgrund dieser starken Schwankungen relativ zum mittleren "Antriebsdruck" ist davon auszugehen, daß der Schall oberhalb und unterhalb der Stimmlippen ebenso deren Bewegung wie auch den durch die Glottis durchtretenden Luftstom (der i.a. als "Schallquelle" angesehen wird) mitprägt. Die "Quelle" arbeitet also nicht unabhängig von ihrer Umgebung.

Die Elektroglottogramme (EGG) der Abb. 5 derselben Arbeit zeigen übrigens sehr klar, wie verschieden die Stimmlippenschwingung bei verschiedenen Vokalen auf demselben Ton (C4) ausfallen. (Das EGG gibt Aufschluß über den zeitlichen Verlauf der Kontaktfläche der geschlossenen Stimmlippen.)&Mac226;

Die zitierte Arbeit darf wohl als eine der interessantesten und wichtigsten Publikationen experimenteller Daten der neueren Stimmforschung angesehen werden.

(E-Mail)

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